"Nachts im Buchladen, das heißt: immer mit einer Stirnlampe, damit man auch hinten in die Regale gucken kann im Dunkeln?“
Jenny Heimann ist als Host die Idealbesetzung für die Podcastserie „Nachts im Buchladen“. Sie liest nicht nur sehr gerne und viel, sondern ist auch gelernte Buchhändlerin und Radiojournalistin und – Moderatorin. Sie war ein bisschen überrascht, als ich sie zur 100. Folge ihres Podcast interviewen wollte.
JH: Was – echt schon so viele Folgen? Das ist mir gar nicht aufgefallen – auf die Zahl vor der Episode hab ich gar nicht so geachtet…Ich bin immer noch echt dankbar, dass ich den Podcast mit der Podcastfabrik machen darf – tun , was man liebt und damit Geld verdienen – das ist schon cool. Als ich mal ne Auszeit vom Radio brauchte, habe ich eine Lehre als Buchhändlerin gemacht. Und als es dann 2018 hieß: „Wer könnte was zur Podcastfabrik beitragen?“ war für mich sofort klar: Bücher! Lesen! Literatur! – das kann ich und das will ich.
SJ: Wusstest Du denn von Anfang an genau, wo die Podcastreise hingehen soll?
JH: Ne, so gar nicht. Ich habe angefangen mit einer Reportage über eine Harry Potter-Nacht in einem Buchladen und habe mich langsam zu „meinem“ Format entwickelt. Mittlerweile habe ich ein Netzwerk von Buchhändlern und – händlerinnen im Umkreis. Bei denen weiß ich ganz genau, wer welche Art Literatur schätzt und auch lebendig drüber erzählen kann. Dementsprechend habe ich immer die passenden Ansprechpartner und - partnerinnen: Die „blutige“ Krimilady, den politisch Engagierten und die mit der blumigen Belletristik. Das macht dann einen guten Mix. Ich gehe zu meinen Buchläden und frage die Mitarbeitenden nach ihren Lieblingsbüchern. Ich habe quasi einen Pool aus Trüffelschweinchen-Buchhändlern.
SJ: Immer wieder darfst Du ja auch Promis interviewen, die auf Lesereise sind. Sind Autoren auch automatisch gut für Podcasts?
JH: Die meisten Promis auf Lesereise sind gerne bereit zu einem Gespräch. Unterm Strich habe ich viele tolle Erfahrungen mit prominenten Autoren gemacht: Sebastian Fitzek, Frank Goosen und Christian Berkel - die haben alle ne Menge zu erzählen und machen das auch ganz phantastisch!
SJ: Jenny, Du hast ja selber auch zwei Bücher geschrieben „Mi Corazon-meine liebe Luise“ und „Wer hat Angst vor Hello Kitty“. Spielt das in deinen Podcast „Nachts im Buchladen“ hinein – diese Schreiberfahrung?
JH: Als meine Bücher fertig waren - da war ich am Anfang erstmal sauer: Kein Verlag wollte mich haben, weil mein Name unbekannt war. Andere, die nicht unbedingt brilliante Autoren sind, bekamen da deutlich schneller einen Verlag. Aber „zufällig“ wird eines meiner Bücher, „Mi Corazon – meine liebe Luise“ in diesem Jahr Pflichtlektüre in Schulen. Mein Opa, von dessen früher Liebe mein Buch handelt, bekommt in diesem Jahr einen „Stolperstein“ (eine kleine in den Boden eingelassenen Gedenktafel, die an sein Schicksal erinnern soll). Er hatte 1934 Deutschland verlassen – aus Liebeskummer und aus Abscheu vor den Nazis und ist in einem französischen Internierungslager gelandet, nachdem er gegen die spanischen Faschisten gekämpft hatte. In diesem Zusammenhang wird mein Buch über die Liebesbriefe der Beiden nochmal ganz aktuell.
SJ: Bei den Büchern, die Du vorstellst geht es ja manchmal auch wirklich dramatisch und auch grausam und traurig zu. Gab es auch mal einen Moment bei der Aufnahme, wo Du einen Kloß im Hals hattest?
JH: Ja, den gab es. Das war genau am 24. Februar 2022. Da hat einer meiner Lieblingsbuchhändler – zufällig – ein altes Buch vorgestellt, in dem es darum geht, dass Menschen sich breitmachen und Kreativität und Kultur verdrängen und unterwandern. Und an genau diesem Tag war ja der erste Angriff Russlands auf die Ukraine. Das passte so erschütternd gut und war so schrecklich – wir hatten beide Tränen in den Augen.
SJ: …und wie sieht es aus mit Bilderbüchern? Also Bildbänder mit tollen Gärten, fremden Ländern, rassigen Pferden.
JH: Lass mich kurz im Regal gucken: ein bisschen Kunst, ein bisschen Musik und: die schönsten Buchläden der Welt!!!!
SJ: …warum überrascht uns das nicht – danke, Jenny und herzlichen Glückwunsch!